Löwenzahn – Das Allroundtalent
Der Winter ist endgültig vorbei, wenn seine strahlend gelben Blüten mit der Frühlingssonne förmlich um die Wette leuchten.
Seit jeher ziehen ambitionierte Gärtner ins Feld, um den als lästiges «Unkraut» verrufenen Löwenzahn zu vernichten. Gott sei Dank gelang es nicht, ihn auszurotten.
Trotz allem hält sich die Wertschätzung für diese ebenso heilsame wie dekorative Pflanze weiterhin in Grenzen wie das nachfolgende Gedicht von J. Weinheber (1892-1945) deutlich zum Ausdruck bringt:
Keine Vase will dich.
Keine Liebe wird durch dich erhellt.
Aber deines Samens reine
weiße Kugel träumt wie eine Wolke,
wie der Keim der Welt.
Lächle! Fühl dich gut gedeutet!
Blüh! So wird aus Schweigen Huld.
Bittre Milch und Flaum, der gleitet
O nicht Haß – den Himmel weitet
Weisheit. Stillesein. Geduld.
Wärst du auf der Höh geboren,
ferne, selten, früh empor,
teilnahmslosem Gang der Horen
blühtest ruhmvoll, unverloren,
groß, dein Wunder vor.
Vielleicht liegt es auch an seinem weit verbreiteten Vorkommen und der Fähigkeit in jedem noch so kleinen Winkel, zwischen Mauerspalten, Gehwegplatten, auf Schutthaufen und selbst inmitten städtischer Müllhalden zu gedeihen, dass man nur am Rand Notiz von ihm nimmt. Möglicherweise aber auch an der Zeit, in der wir leben und an unserer Lebensform. Schneller, weiter, größer, mehr und teurer. Stets das Auge auf uns selbst gerichtet. Es bleibt zu hoffen, dass die Pandemie, die uns auch in diesem Jahr deutlich zeigt, dass wir nicht die Herrscher der Welt sind, uns wieder zur Besinnung bringt und den Blick für das Wunder Erde schärft.
Wie herrlich ist nach langen trüben Wochen der Anblick einer gelb blühenden Wiese? Da braucht es noch nicht mal Sonnenschein, um sich auf die wohl schönste Zeit im Jahr zu freuen.
Der Löwenzahn ist nicht nur eine Augenweide. Seine wohltuende Wirkung auf unsere Gesundheit macht ihn in der Naturheilkunde unersetzlich. Er strotzt vor Energie mit seinen Bitterstoffen, Mineralien und Vitaminen.
«Kräuterpfarrer» Sebastian Kneipp (1821-1897) hat ihn im Laufe seiner Schaffenszeit als «der Gesundheit zutrüglich» beschrieben und entsprechend verordnet bei Leber- und Gallenleiden, Appetitlosigkeit und Verdauungsproblemen. Ob als Tee, der die Frühjahrsmüdigkeit vertreiben und den Stoffwechsel anregen soll oder als abwechslungsreiche Beilage im Salat, der ihn nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch aufwertet. Ein Universaltalent mit vielfältiger Verwendung.
In Krisen- oder Kriegszeiten und auch, weil die Menschen früher sich «echten» Kaffee häufig nicht leisten konnten, fand die getrocknete Löwenzahnwurzel Verwendung als Kaffeeersatz. Sicherlich mit Bohnenkaffee nicht zu vergleichen.
Im Löwenzahnblütengelee fangen wir die Sonne und die Erinnerung an einen unbeschwerten Sommer ein. So können wir uns auch im trüben Winter daran erfreuen.
Löwenzahnblütengelee
400 Blüten ohne Grün
Saft von je 2 Zitronen und Orangen
1,5 l Wasser
Blüten, mit dem Wasser bei schwacher Hitze 30 min. köcheln lassen.
Danach durch ein Sieb abseihen oder durch eine Filtertüte geben.
Zitronen- und Orangensaft dazugeben.
Die aufgefangene Flüssigkeit abmessen und mit der entsprechenden Menge Gelierzucker 2:1 nach Anleitung aufkochen. Heiß in saubere Gläser füllen und sofort verschließen.
Viel Spaß beim Nachkochen!
Es mag vielleicht ungewohnt sein, die Löwenzahnblüten zu essen. Versuchen Sie es einfach mal. Die frisch gepflückten Blätter zusammen mit Kopfsalat, Radieschen, Tomaten, einer leichten Vinaigrette und ein paar leuchtend gelbe Blüten ergeben nicht nur optisch ein Highlight sondern auch geschmacklich.
Und wenn er am Ende des Sommers verblüht ist, erfreuen sich die Kinder an den ungezählten weißen Schirmchen, die beim Pusten durch die Luft Segeln und die Samenkörner weiter tragen. Irgendwohin, wo sie im Boden wurzeln und hoffentlich im nächsten Jahr an ihrem neuen Standort wachsen und blühen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit!
Text und Fotos: © Gabriela Zander-Schneider